Kurt Eckstein
11. Nov 2016 20:30 Uhr
Kapitel 12 › Frankenherrscher - Pater Europae - Vorreiter der Globalisierung?: Frankenherrscher - Pater Europae - Vorreiter der Globalisierung? Aufgabe einblenden Aufgabe ausblenden

Frankenherrscher - Pater Europae - Vorreiter der Globalisierung?

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer,

Sie haben sich gründlich, auf wissenschaftlichem Niveau und auf Grundlagen von Quellen und Literatur mit Karl dem Großen befasst. Damit habe Sie fachliches Wissen und wohl begründete Urteilsfähigkeit erworben. Das dürfen Sie nun in der letzten Aufgabe unter Beweis stellen - urteilen Sie in einem kleinen Essay fundiert über eine der Fragen, die auch die aktuelle Forschung umtreiben!

Sie haben schon darüber nachgedacht, inwieweit es gerechtfertigt ist, Karl den Großen als Pater Europae zu bezeichnen. Sie haben dabei auch schon bemerkt, dass es einen markanten Unterschied gibt zwischen Geschichte als historischem Geschehen und Geschichte als Reflektion über Vergangenheit vor dem Hintergrund der Gegenwart

Geschichte in der letzten Bedeutung ist immer geprägt von der Subjektivität des Betrachters und auch von gegenwärtigen Themen. Wie Karl der Große vom Vater der Nationen zum Vater Europas wurde, zeigt, wie wandelbar Geschichtsbilder sind.

Jede Generation stellt vor dem Hintergrund ihrer eigenen Zeiterfahrung ihre eigenen Fragen an die Vergangenheit. Das ist auch legitim. Sonst wären wir immer noch bei den heilsgeschichtlichen Geschichtsbildern des Mittelalters. Das Bewusstsein der Wandelbarkeit von Geschichtsbildern sollte uns aber auch immer mahnen, unsere Argumentationen und Fragestellungen transparent und methodisch reflektiert vorzutragen. Nur so lässt sich Wissenschaftlichkeit auch bei subjektiven Anteilen wahren.

Bedenken Sie dies bitte, wenn Sie nun anfangen, ihre Urteilsfähigkeit an dieser Frage zu prüfen:

Wie sollen wir mit Karl dem Großen umgehen? Ist er nur ein bedeutender Frankenherrscher, den wir in seiner Vergangenheit ruhen lassen sollten, oder kann er uns etwas sagen als Pater Europae oder gar als früher Vorreiter der Globalisierung?

Der letzte Aspekt ist übrigens gar nicht so weit aus der Luft gegriffen. Tatsächlich gab es in allerjüngster Zeit schon einige ernsthafte wissenschaftliche Ansätze zur Untersuchung dieser Frage. Sie sehen daran, wie wieder einmal eine der neuen brennenden Fragen der Gegenwart an die Vergangenheit herangetragen wird!

Schreiben Sie zwei bis drei Seiten, nicht mehr. Kürze ist auch eine Kunst! Trennen Sie Quellen von Wertungen, argumentieren Sie sauber und strukturiert und geben Sie zuletzt ein gut begründetes Urteil. Es kommt nicht darauf an, wie Ihr Urteil ausfällt! Wichtiger ist die Qualität Ihrer historischen Argumentation!

Stellen Sie Ihren Essay im Logbuch zur Diskussion!

Viel Spaß und viel Erfolg!

Karl der Große - Pater Europae - Vorreiter der Globalisierung !?

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Der seit 1950 vergebene Karlspreis wird an Personen vergeben, "die sich für Freiheit, Menschlichkeit und Frieden einsetzen; die bedrängten Völkern helfen und das Leben der Kinder und Enkel sichern."
Der so geehrte Karl der Große wurde zu Lebzeiten nie so genannt. Ein einziges Mal findet sich Ähnliches im Jahr 799 im Paderborner Epos: hier wird er als " Princeps Europae " bezeichnet.

Aber Karl war ein Kind seiner Zeit.
Mit List ( Bruder Karlmann ), Tücke ( Tassilo III. von Baiern ), mit brutaler Gewalt ( v.a.Sachsenkriege ), mit sicherem Instinkt und unbedingtem Willen zur Macht ( Bestätigung der Pippinschen Schenkung, Sicherung des Kirchenstaates gegen die Langobarden und Schutzmacht des Papstes Leo III. gegen seine römischen Widerrsacher ) ließ er sich " wider Willen " ( Einhard Annalen ) zum Kaiser krönen.
Aus taktischer Finesse nahm er diplomatische Verbindungen zum Kalifat in Bagdad - und als gläubiger Christ - hierüber nach Jerusalem auf.
Er wollte gleichberechtigt werden mit dem im Erbe Roms stehenden Byzanz, was ihm letztlich durch die Kaiserkrönung in Rom und durch die nachträgliche Anerkennung seitens des byzantinischen Herrschers auch gelang ( 812 - 815).
Es sollte wieder ein westliches und östliches " römisches " Reich entstehen. Karls Kaisertum wurde somit der Begriff der abendländischen, christlichen Kultur , in der wir heute leben.
Karl hat somit etwas Neues geschaffen und zwar das Mittelalterliche Kaisertum. Gleichzeitig entstand ein Dualismus zwischen weltlicher und geistlicher Macht, dessen Machtansprüche und Machtkämpfe die nachfolgenden Jahrhunderte intensiv prägen sollte.

Mit ihm begann das eigentliche Mittelalter und somit eine Neue Zeit. Nach jüdischen und christlichen Weltaltersberechnungen sollte der Beginn einer neuen Ära um das Jahr 800 liegen, an deren Ende Christus die Welt richten wird. Dies wurde von der Kirche nachdrücklich bekräftigt ( 798: Bischof Hildebald von Köln ).
Gleichzeitig führte das Zusammenwirken von weltlicher und geistlicher Macht zu einer Verbindung von klassischer Kultur und christlichem Glauben.

Durch eine - im Gegensatz zur Merowingerzeit - große Anzahl von Diplomata, Leges ( allein ca. 70 Gesetzessammlungen ), Kapitularien ( u.a. 789: Admonitio generalis, 795: Capitulare de villis ), Stärkung der Kirche und Schaffung einer einheitlichen Verwaltungsstruktur , Errichtung von Bildungszentren, Schulen ( Hofschule in Lorch ), Klöster und Bibliotheken ( z.B. 764: Lorsch, 747: Kloster St. Gallen Übernahme der Benediktinerregeln ), einer einheitlichen Währung ( Denar ), einer vereinfachten Schriftform ( karolingische Minuskel ) und einer gemeinsamen Regierung ( anfangs noch ohne eigenes Zentrum, Reisekönigtum zur Sicherung des Reiches mittels Pfalzen - ab 796 Aachen als " Hauptstadt " ) schuf er eine einheitliche Reichsidee.
Durch einheitliche Wirtschaftsstrukturen, durch Dialogfähigkeit ( Hofkreis, Berater, Missi dominici ), durch Inklusion fremder eroberter Gebiete und deren Missionierung ( z.B. Sachsen ), durch eine einheitliche Verwaltungssprache ( Latein ) und unter gewisser Belassung von Sitten, Gebräuchen und der einzelnen sich entwickelnden Landessprachen ( " Wörterbücher " ), gelang ihm die Schaffung einer multikulturellen Identität im Frankenreich.

Karls Reich umschloss die Grenzen der 7 Länder, aus denen - nach Jahrhunderten von Krieg und Leid - 1957 durch freiwilligen Zusammen- schluss die europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG hervorging ( römische Vertäge - diesmal ohne päpstlichen Einfluss ).
Somit ist Karl der Große nicht nur ein Kind seiner Zeit gewesen, sondern gilt als Schöpfer eines christlich abendländischen Kulturerbes ( in der Nachfolge der römischen Caesaren nach dem Untergang Roms ), das bis heute die abendländische Identität stiftet.

Karl der Große - Pater Europae ?! in weiten Teilen : JA !

Jedoch ist die Figur Karls so ambivalent, dass es ein abschließend definiertes Karlsbild nicht geben kann . Es existieren keine einheitlichen Kontinuitätslinien in die heutige Zeit.
Heutige Begriffe wie z.B. Gewaltenteilung, Verfassungsgedanke, Freizügigkeit, Demokratie, vetragliche Einigungen in Europa und Rechsstaatlichkeit - um nur einige zu nennen - waren damals nicht bekannt.

Karl handelte in erster Linie so, wie die meisten Herrscher zur damilgen Zeit gewohnt waren zu " verfahren ".
Vielfach wurde seine Person in den nachfolgenden Jahrhunderten von den unterschiedlichsten politischen Denkweisen und Ideologien missbraucht ( Nationalismus, Imperialismus, Nationalsozialismus ) und den jeweis bestehenden historischen Denkmustern angepasst.

Karl als Vorreiter der Globalisierung ?

In diesem Kontext kann eine Aussage über Karl nicht getroffen werden, da die einzelnen Teile weiter gewachsen sind und dem Globalisierungsgedanke westlicher Prägung heute wieder sehr starke Zentripedalkräfte entgegen wirken.

Pantharei - Karls historische Verortung geht weiter. Somit bleibt Geschichte lebendig.

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