Gerald Kluge
20 Jun 2016, 11:00 AM
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Frankenherrscher - Pater Europae - Vorreiter der Globalisierung?

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer,

Sie haben sich gründlich, auf wissenschaftlichem Niveau und auf Grundlagen von Quellen und Literatur mit Karl dem Großen befasst. Damit habe Sie fachliches Wissen und wohl begründete Urteilsfähigkeit erworben. Das dürfen Sie nun in der letzten Aufgabe unter Beweis stellen - urteilen Sie in einem kleinen Essay fundiert über eine der Fragen, die auch die aktuelle Forschung umtreiben!

Sie haben schon darüber nachgedacht, inwieweit es gerechtfertigt ist, Karl den Großen als Pater Europae zu bezeichnen. Sie haben dabei auch schon bemerkt, dass es einen markanten Unterschied gibt zwischen Geschichte als historischem Geschehen und Geschichte als Reflektion über Vergangenheit vor dem Hintergrund der Gegenwart

Geschichte in der letzten Bedeutung ist immer geprägt von der Subjektivität des Betrachters und auch von gegenwärtigen Themen. Wie Karl der Große vom Vater der Nationen zum Vater Europas wurde, zeigt, wie wandelbar Geschichtsbilder sind.

Jede Generation stellt vor dem Hintergrund ihrer eigenen Zeiterfahrung ihre eigenen Fragen an die Vergangenheit. Das ist auch legitim. Sonst wären wir immer noch bei den heilsgeschichtlichen Geschichtsbildern des Mittelalters. Das Bewusstsein der Wandelbarkeit von Geschichtsbildern sollte uns aber auch immer mahnen, unsere Argumentationen und Fragestellungen transparent und methodisch reflektiert vorzutragen. Nur so lässt sich Wissenschaftlichkeit auch bei subjektiven Anteilen wahren.

Bedenken Sie dies bitte, wenn Sie nun anfangen, ihre Urteilsfähigkeit an dieser Frage zu prüfen:

Wie sollen wir mit Karl dem Großen umgehen? Ist er nur ein bedeutender Frankenherrscher, den wir in seiner Vergangenheit ruhen lassen sollten, oder kann er uns etwas sagen als Pater Europae oder gar als früher Vorreiter der Globalisierung?

Der letzte Aspekt ist übrigens gar nicht so weit aus der Luft gegriffen. Tatsächlich gab es in allerjüngster Zeit schon einige ernsthafte wissenschaftliche Ansätze zur Untersuchung dieser Frage. Sie sehen daran, wie wieder einmal eine der neuen brennenden Fragen der Gegenwart an die Vergangenheit herangetragen wird!

Schreiben Sie zwei bis drei Seiten, nicht mehr. Kürze ist auch eine Kunst! Trennen Sie Quellen von Wertungen, argumentieren Sie sauber und strukturiert und geben Sie zuletzt ein gut begründetes Urteil. Es kommt nicht darauf an, wie Ihr Urteil ausfällt! Wichtiger ist die Qualität Ihrer historischen Argumentation!

Stellen Sie Ihren Essay im Logbuch zur Diskussion!

Viel Spaß und viel Erfolg!

Verkürzte Sicht

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Ich sehe Karl den Großen als einen der Väter oder Inspirator Europas. Sein hauptsächlichen Verdienste liegen wohl in dem Übergang von Antike und Mittelalter und der Tradierung von Teilen der antiken Kultur, die ohne ihn wohl verloren gegangen wären. Damit bewahrte er kulturelle und ideengeschichtliche Schätze, aus denen das sich später weiterentwickelnde Europa schöpfen konnte und damit einen Teil seiner Identität fand. Auch das Christentum, das er als einigende Klammer sein Reich (wenn auch mit aus unserer Sicht teilweise fragwürdigen Mitteln) gebrauchte, prägte viele Jahrhunderte die weitere Geschichte Europas. Ebenso ist seine übernationale Sicht eine wichtige Inspiration für Europa - gerade angesichts stärker werdender Nationalismen.
Daneben sehe ich aber auch noch viele andere Väter und Mütter, die unser Europa mitgeprägt haben: die griechisch-rämische Antike, der universale Kaisergedanke der Ottonen und Staufer, die völkerüberspannende Idee der christlichen Kirche, die Philosophen der Aufklärung bis hin zu Adenauer und Charles de Gaulle.
Karl der Große ist in dem Konzert ein wichtiges Instrument und man beruft sich für moderne Konzeptionen gern einmal auf ihn. Aber zu einem echten Vater Europas fehlt doch einiges. Sein Reich war auf Eroberung gebaut und zerfiel wie die vielen Reiche nach ihm bis hin zu Napoleon und Hitler, die auf Gewalt und Unterdrückung basierten. Ich wünsche den Menschen im heutigen Europa, das sich erstmals friedlich zu einer größeren Einheit zusammen gefunden hat, dass sie der Versuchung des kleingeistigen Nationalismus widerstehen können.

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